Gianni Infantino ist beim 73. Kongress als FIFA-Präsident wiedergewählt worden. Bei seiner großen Krönungs-Show feiert er sich selbst und sendet auch eine Spitze in Richtung DFB. Außerdem macht er eine Ankündigung, die ihm Ewigkeitsstatus verleihen könnte.
Gianni Infantino bemühte sich um eine Geste der Rührung. Nachdem ihn die Delegierten des FIFA-Kongresses in Kigali erneut zum mächtigsten Mann im Weltfußball herbeigeklatscht hatten, klopfte er sich mit der rechten Hand aufs Herz. Der Schweizer sendete ein Zeichen der Liebe an alle Menschen, die ihm erneut das Vertrauen geschenkt hatten. Mindestens bis 2027 ist Infantino nun für die weitere Entwicklung des beliebtesten Sports des Planeten verantwortlich. Doch wie beinahe alles in der Welt von Infantino wirkte auch diese Geste nicht spontan aus der Emotion heraus, sondern konstruiert. Nun, er wusste ja eh, dass er der Mächtige bleiben wird.
Und wenn es nach ihm geht, darf das gerne ewig so weitergehen. In einer schrulligen Show, die vor allem eine abermalige Selbstbeweihräucherung war, bekannte der 52-Jährige in aller Zufriedenheit mit sich selbst: „Wenn ein Unternehmer ankündigen würde, dass die Dividenden um das Siebenfache erhöht werden, würde man ihn auf ewig behalten, dann ginge es nicht nur um ein Vierjahresmandat.“ Bedeutet: Infantino bewundert sich nicht nur selbst für sein Werk, sondern sieht auch keinen Besseren weit und breit. Und weil er schon eine Lösung gefunden hat, wie seine erste Amtszeit als Nachfolger von Sepp Blatter nicht offiziell anerkannt worden ist, wird sich niemand wundern, wenn der Schweizer auch 2031, zum Ende seiner dritten und letzten Periode, einen Weg findet, um weiterzumachen. Und so lange das Geld fließt, braucht er um die Liebe nicht fürchten.
Vielleicht ja noch „ein paar Milliarden“ mehr?
Die Zahlen, die der Schweizer in der Hauptstadt von Ruanda vorgelegt hat, sind tatsächlich beeindruckend. Dabei helfen auch die ambitionierten Turnierpläne: Zuletzt war etwa die Klub-WM zu einem Wettbewerb mit 32 Teams im Vierjahresrhythmus ab 2025 ausgeweitet worden. Zudem soll es jährlich ein Mini-Turnier der Gewinner der großen Wettbewerbe der Konföderationen geben. Mehr als elf Milliarden US-Dollar wird der Weltverband damit bis 2026 verdienen, durch die neue Klub-WM könnten es „ein paar Milliarden“ mehr werden, schwärmte Infantino und rief den Delegierten mit freudiger Erregung entgegen: „Das Geld der FIFA ist euer Geld.“ Die Zahlungen der FIFA an die Verbände wurden in seiner ersten offiziellen Amtszeit bereits von 1 Milliarde auf 1,7 Milliarden gesteigert, bis zur nächsten WM sollen sie auf 2,3 Milliarden Euro anwachsen. Gute Argumente, die die Liebe vieler Delegierter grenzenlos werden lässt.
36 Minuten stand Infantino vor seiner Wiederwahl auf dem Podium. Und schwärmte. Vor allem von sich. Unter anderem für die Ausrichtung des umstrittenen Turniers in Katar. „Ich habe euch die beste WM der Geschichte versprochen – und ich habe geliefert“, sagte er. „Alles, was ich als Präsident mache, tue ich für alle von euch.“ Er werde, versprach er später, nachdem er im Amt bestätigt worden war, „darin weitermachen, der FIFA und dem Fußball in aller Welt zu dienen“. Und einmal im Rausch des Pathos verfangen, sandte er noch ein paar leicht vergiftete Liebesgrüße ins Auditorium. „Ich möchte allen danken. Denen, die mich lieben – und auch denen, die mich nicht so mögen. Das sind einige wenige. Ich mag sie alle – besonders heute“, sagte Infantino und lächelte.
„Ich stehle nicht, ich profitiere nicht“
Wenig später fing er seine Liebeserklärung aber auch schon wieder ein. Bei einer skurrilen Medienrunde nach dem Kongress holte er zu einem mächtigen Lamento aus und fühlte sich böse unverstanden. „Ich verstehe nicht, warum einige von Ihnen so gemein sind“, klagte er während eines 15 Minuten dauernden Monologs über die Kritik an seiner Amtsführung. „Ich arbeite hart. Ich stehle nicht (Anmerk. d. Red.: das ist kein bekannter Vorwurf gegen Infantino), ich profitiere nicht.“ Dabei bezog sich Infantino auf einen Vergleich zu Robin Hood, der an ihn herangetragen worden sei. „Wir stehlen nicht von den Reichen, um es zu den Armen zu geben. Wir geben auch an die Reichen, wir geben es aber auch an die Armen, damit sie wachsen können.“
Seinen Ausführungen zufolge gehe es bei der FIFA „nicht ums Geld, es geht um Fußball. Wir brauchen natürlich das Geld, um den Fußball auf der ganzen Welt zu entwickeln“. Deshalb verstehe er „die ständigen Attacken auf die FIFA und ihren Präsidenten“ nicht: „Sie müssen mich nicht mögen, sie müssen mich nicht lieben. Sie können mich kritisieren, aber bitte bleiben Sie bei den Fakten.“ Dass es der FIFA nicht ums Geld gehe, wirkt dann doch reichlich schräg, schließlich ist Infantino nicht (schon gar nicht nun in Kigali) darum verlegen, seine Verdienste bei der dicken Einnahmesteigerung hervorzuheben, schließlich ist er auch nicht darum verlegen, mit rücksichtslosen, reichen Autokraten zu kuscheln. Das gilt etwa für den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der in dem Mordkomplott an dem Journalisten Khashoggi involviert gewesen sein soll – und gleichzeitig gerne die WM 2030 austragen möchte. Die Mehrheit habe das Gefühl, betonte Infantino unterdessen, dass er einen guten Job mache – auch in Europa. Falls jemand sagen würde, dass er nur aus armen Ländern unterstützt werde, wäre dies „rassistisch und faktisch falsch“. In diesem Zusammenhang auch ein seltsames Verständnis von Rassismus.
„Wir lieben Sie, Präsident“
Adressaten dieser Nicht-Mögen-Botschaft waren unter anderem Norwegen und Deutschland. Beide Verbände hatten dem Boss, ebenso wie Schweden, die Gefolgschaft verweigert. Doch in der protzigen Show für den Schweizer ging die Minimal-Opposition völlig unter. Weil Infantino nicht per Auszählung im Amt bestätigt wurde, sondern via Akklamation durch Applaus, wurde gar nicht offensichtlich, dass sich im Saal auch die Unzufriedenen aufhielten. Die paar kritischen Sitzenbleiber um DFB-Chef Bernd Neuendorf strafte der mit überwältigender Mehrheit wiedergewählte FIFA-Boss schon mit seiner ersten Botschaft ab (siehe oben). Und dann packte Generalsekretärin Fatma Samoura auch noch (verbal) den rechten Haken aus und streckte jegliche Kritik und Zweifel an Infantino mit einem schrulligen und fast hörigen Zwischenruf nieder. „Wir lieben Sie, Präsident“, flötete sie ihm nach seinem Auftritt zu – der Schweizer lächelte beseelt.
Und in einer Welt, in der Infantino die Politik doch sehr meidet wie der Teufel das Weihwasser, präsentierte er sich als Friedensstifter. „Fußball ist dazu da, um unsere liebe Welt zu verbinden“, betonte er unter Beobachtung der anwesenden Delegationen der Kriegsgegner aus Russland, Belarus und Ukraine: „Fußball ist Freude, Glück, Leidenschaft, Liebe und Frieden.“ Und Menschenrechte? Nun, auf diesem Feld ist der FIFA-Boss nach wie vor nicht trittsicher. Doch statt Antworten zum Thema Menschenrechte in Katar lieferte der Weltverband erst mal lieber Hochglanzbilder des Turniers. Auf Antrag Norwegens bezog der Weltverband dann doch noch Stellung und kündigte immerhin eine Untersuchung zu den möglichen Menschenrechtsverletzungen an.
Die nächste beste WM aller Zeiten kommt
Madig machen wollte sich der Boss das Turnier in der Wüste aber durch die Störgeräusche weiterhin nicht. Er sprach erneut von der „besten WM aller Zeiten“, die allerdings 2026 in den USA, Kanada und Mexiko von der nächsten „großartigsten WM aller Zeiten“ abgelöst werde. Dass erstmals 48 Nationalverbände teilnehmen, ist eines der Langzeit-Wahlversprechen von Infantino, der das fragwürdige Wahlsystem – die Stimme jedes noch so kleinen Verbands hat den gleichen Wert – perfekt auszunutzen weiß.
„Wir sind nicht das Rote Kreuz oder Greenpeace“, sagte Infantino und lobte die beiden Organisationen. „Aber wir haben auch eine Verantwortung, bei globalen Herausforderungen zu helfen.“ Auf die auch in Deutschland kritisch begleiteten Affären und Ungereimtheiten seiner bisherigen Schaffensperiode ging er nicht ein. In der Schweiz ermitteln zwei Sonderstaatsanwälte in einer undurchsichtigen Justiz-Affäre gegen Infantino, der alle Vorwürfe zurückweist. Im Gegenteil verwies der 52-Jährige auf seine jüngste Einladung zum G20-Gipfel. „Wir sind stolz darauf“, sagte Infantino. „Diese Leute würden sich nicht mit einer FIFA zusammensetzen, der sie nicht trauen.“ Institutionen und „nicht nur Sponsoren und Fernsehanstalten“ hätten Vertrauen gewonnen in die FIFA.
Tatsächlich hatte Infantino aber noch einen Plan bereit, der ausnahmsweise mal unstrittig ist. Er gab das Ziel aus, bei der Fußball-WM der Frauen 2027 die gleichen Prämien zu zahlen wie bei der WM der Männer 2026. Das sei der „schwierigste“ Schritt auf dem Weg zum sogenannten „Equal Pay“, also der gleichen Entlohnung für Frauen und Männer im Profifußball. „Die Rechteinhaber und Sponsoren müssen mehr tun“, forderte Infantino und verwies auf die teils massiv niedrigeren Angebote dieser Partner für den Frauenfußball. Bei der WM der Fußballerinnen in diesem Jahr in Australien und Neuseeland werde die Summe von 30 Millionen US-Dollar aus dem Jahr 2019 deutlich steigen, sagte er. Angaben des Weltverbands zufolge sollen 110 Millionen US-Dollar an Prämien ausgeschüttet werden – dies ist allerdings noch deutlich weniger als bei der Männer-WM 2022 in Katar, als 440 Millionen US-Dollar an die 32 Teams gezahlt worden waren.